Gutes Sterben

Ich bin der ganz festen Überzeugung, dass jeder Mensch in der Lage ist, den eigenen Todeszeitpunkt zu bestimmen, und das auch tut.

Als mein Opa nach langer Krebserkrankung für die letzte Zeit im Wohnzimmer lag, gab es irgendwann keine Veränderung mehr, also gefühlt „war das Sterben im Pause-Modus“. Er wartete darauf, das meine Cousine aus dem Urlaub zurückkam. Nachdem er sich mit ihr unterhalten hat, starb er dann.

Oft, wenn ich Menschen zu Hause begleite, sage ich Nachts „Ich gehe mal Abwaschen“ und verlasse dann das Sterbezimmer. Und oft wird der Moment dann von den Sterbenden genutzt, um „über die Brücke zu gehen“.

Oder die Menschen wünschen sich noch einen Moment der Vergebung, der Liebe, ein besonderes Datum zu erleben.

Daraus ergibt sich für mich: Jede und Jeder kann sich den Zeitpunkt des Sterbens selber aussuchen.

Was braucht es dafür?

Wenn ich sage, JedeR kann sich das selber aussuchen, dann gibt es vielleicht einen Werkzeugkasten, aus dem ich einfach nur das richtige Auswähle, und schon ist Sterben kinderleicht? Ja. Genau.

 

Freiverantwortlichkeit

Wenn ich Sterben möchte (möchte, nicht durch Unfall o.ä. plötzlich erzwungen), dann muss ich noch möchten können. Ich muss die Wahl haben, wenn ich den Tod wählen möchte. Wenn ich absolut verzweifelt bin, wenn ich nicht in der Lage bin, aufgrund aktueller „Pein“ Alternativen zum Sterben zu sehen, dann bin ich eventuell nicht freiverantwortlich.

Wenn jemand dement ist, ist die Freiverantwortlichkeit gut zu prüfen, das Vorliegen einer Vorsorgevollmacht mit einer wirksamen Patientenverfügung erleichtert die Prüfung.

Darum finde ich den Weg des FVET so hilfreich, weil bei Dementen die Freiwilligkeit vielleicht bei der ersten Blumenvase durch „Durst=Wasser=trinken“ gebrochen wird. Und bei Menschen, die nicht wirklich sicher sind, noch Zeit zum umentscheiden bleibt.

Symptomlinderung

Medizinisch stimmt das sicher nicht, aber ich behaupte: Wer starke Schmerzen hat, kann nicht sterben. Ich glaube, das Sterben dann gut wird, wenn der Palliative Mantel der Symptomkontrolle die Möglichkeit gibt, in Ruhe zu sterben.

Also: Schmerzmedikamente nicht sparsam einsetzen, das oft gehörte Argument „Morphium macht aber doch abhängig“ verlache ich in Angesicht des Sterbens.

Und das Argument „Ich möchte bewusst sein und klar“ vergisst, das ein Mensch mit Schmerzen nicht klar ist, sondern schmerzverzerrt wahrnimmt.

Und Nein, ich werde nicht durch eine Überdosis den Tod herbeiführen, und die begleitenden Ärzte und Ärztinnen achten auch immer gut darauf, das nicht so viel verabreicht wird, das es zu einer Abkürzung kommt.

Freiheit und Frieden

Ein wichtiger Satz, der mir irgendwann begenet ist, und den ich immer wieder anbringe:

In der Zuversicht sein
und nicht mehr wollen

Das bedeutet für mich nicht, die Welt nur noch Rosa zu sehen und mir ist alles egal.

Mein Opa hat immer gesagt „Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz“. Und darum geht es mir bei der Zuversicht. Wenn ich gelassen auf die Zukunft blicke „es wird ein leichtes Hinübergehen frei von Leid und die Ahnen erwarten mich Liebevoll„, ist mein Weg bestimmt einfacher, als wenn ich dauernd überlege, was noch alles Schlimmes passieren kann.

Ich erinnere mich gut an eine Frau, die wegen einer neurodegenerativen Erkrankung sich für FVET entschieden hat, und dann quasi die ganze Zeit mit den Füßen auf den Boden gestampft hat „Ich will JETZT Sterben!„. Erst als ich ihr angeboten habe, „Nicht mehr zu wollen“, konnte sie dann schnell sterben.

Oft rege ich an, das die am Bett begleitenden fast Mantra-artig aufzählen, das Alles erledigt ist und das Alle versorgt sind.

Einer der Vorteile beim FVET, den ich absolut hoch halte, ist der Mögliche Abschied der Zugehörigen und damit das Klären von unerledigtem.
Wenn die Familie und Freunde es schaffen, am Bett der Sterbenden alleine durch das DaSein eine Art Genehmigung erteilen, dann kann gut die Zuversicht auftauchen, das nun alles geschafft ist und nichts mehr getan werden muss.