Wie reden?

Wie rede ich mit Menschen, die im Sterbeprozess sind? Oft werden im Gespräch die Worte Sterben, Tod, Krebs und Ähnliche vermieden, dadurch können Sätze unklar werden, wo doch jetzt Klarheit gefordert ist.

Mit, nicht über

Das Allerwichtigste, bis über den Tod hinaus: In Anwesenheit der sterbenden Person rede nur mit, nie über die Person. Ärzte und Ärztinnen bitte vor die Tür, um Befunde oder Wege zu besprechen, Pflegeplanung oder Problembesprechung immer gerne mit der sterbenden Person, aber nie über sie hinweg. Frage die sterbende Person im Gespräch nicht mit platten Floskeln „… das willst du doch auch nicht, …“ „ du hast doch bestimmt nichts dagegen, dass wir das so machen“, weil das schnell entmündigend sein kann. Dann besser draußen entscheiden und dann hinterher die Entscheidung mitteilen, wenn Du der Meinung bist, die oder der Betroffene kann nicht mehr mitentscheiden.

Mit, nicht für

Versuche solange wie möglich, mit dem sterbenden Menschen Entscheidungen zu besprechen, die diesen Menschen betreffen, zum Beispiel für oder wider Pflegebett. Wenn Du für die Sterbende Entscheidungen treffen musst, aber keine Vorsorgevollmacht vorliegt, besprich oder erkläre die Entscheidung auch mit der Sterbenden.

Klar, in Grenzen

Rede nicht mit irgendwelchen Metaphern um den heißen Brei herum. Weder im Zimmer mit der sterbenden Person noch außerhalb mit Angehörigen oder Bekannten.

Fühle für Dich, welche Klarheit Du selber aushalten kannst. Wenn Du soweit bist, dass Du auf den Seiten des SterbeLotsen Hinweise suchst, dann weißt Du, dass Sterben das Thema ist. Und wenn Du das weißt, dann weiß es die sterbende Person schon lange.

Mitunter muss nur jemand den ersten Schritt tun, und dann sind Alle froh, dass jetzt klar geredet werden kann.

Aber: Immer wieder treffe ich auf Sterbende, die das negieren, sich jetzt schon mit dem Sterben befassen zu müssen. Das ist dann eine wirklich schwierige Situation, weil ich ja als SterbeLotse schon einen Rahmen mitbringe. Und ich für mich nicht lügen möchte.

Hier hilft es (mir) dann oft, über die Zukunft und die jetzige Situation klar zu reden. Und die Differenz im Fühlen dazu.

Der Tod ist traurig.

Verstecke nicht Deine Gefühle, auch und gerade nicht vor Kindern. Kinder brauchen Vorbilder – auch für Emotionen. Weinen ist erlaubt.

Keine Märchen für die Kinder

Wenn Du den Kindern sagst „Opa ist im Himmel“, dann solltest Du mit den Kindern keine Flugreisen buchen, denn der Himmel ist leer.
„Sanft eingeschlafen“ – und dann hinterher bei den Kindern selber Einschlafstörungen, die nicht erklärlich sind.
Die Oma, die die letzten Jahre so schwach war, dass sie nur noch im Bett lag, ist plötzlich „von uns gegangen“?

Ein Versuch – nicht nur für Kinder

Opa ist tot. Komm, wir gehen mal an das Bett vom Opa, ich traue mich auch nicht so richtig, aber zusammen schaffen wir das. Fühl mal, die Hand (Wange, Stirn) ist ganz kalt. Opa hat jetzt keine Schmerzen mehr, Opa ist jetzt tot. Opas Witz und seine Sprüche sind jetzt nur noch in unseren Köpfen, aber Opas Körper ist noch hier. Sieh mal, ganz blass, ganz kühl, aber ganz friedlich. Wir finden bestimmt einen guten Platz für Opas Körper, und sein Geist, seine Seele ist das, was in uns und allen, die ihn kannten, weiterlebt.

Wenn Du möchtest, begleite ich Dich dabei.

Noch ein Versuch

Oma ist tot. Bis zum Schluss hat sie kommandiert und verletzt.
Jetzt ist es an Dir, (wieder einmal?) versöhnend zu wirken. Tritt an das Bett oder die Bahre, nimm die Hand oder streiche die Wange. Nein, nichts ist vergeben, nichts ist vergessen, aber Du möchtest vergeben. Sage deine Gedanken, erzähle von Deinen Verletzungen, bleib dabei bei Dir. Sieh, wie das Gesicht der Gestorbenen alles Harte verliert, fühle die zarte und verletzliche Haut. Es ist vorbei, und Du hast die Chance zur Versöhnung. Es ist nicht alles gut, es ist jetzt klar.

Wenn Du nicht direkt am Totenbett die Gelegenheit dazu hast, dann kannst Du einen Brief schreiben oder einen Vortrag vortragen, vielleicht später auf dem Friedhof alleine. Den Brief kannst Du zu einem Schiffchen falten und ins Wasser setzen, oder verbrennen.

Oder, wenn Du möchtest, komm zu mir und erzähle mir alles.