Sterbefasten oder lieber: Verzicht auf Essen und Trinken

Den Menschen, die ich in den letzten Jahren begleitet habe, geht es nicht um das Sterben. Die wollten eigentlich gar nicht Sterben. Aber _dieses_ Leben haben sie nicht mehr ausgehalten, und haben dann wissentlich und freiwillig nicht mehr gegessen und getrunken.

So gibt es denn mindestens drei Begriffe für das selbe:

Sterbefasten – falsch, weil das die Richtung auf das Sterben fokussiert, und Fasten etwas oft leidvoll Konnotiertes ist,  daher der Begriff sich nicht richtig anfühlt, richtig, weil es natürlich zum Sterben führt, wenn jemand fastet.

FVFN – Freiwilliger Verzicht auf Flüssigkeit und Nahrung – irgendwie total technisch aber in der Literatur ein feststehender Begriff

FVET – Freiwilliger Verzicht auf Essen und Trinken – das passt mir eigentlich am besten, weil da ein Mensch einige Grundbedürfnisse nicht mehr befriedigt, und das freiwilig.

Mein Weg bei deinem FVET

Ich gehe davon aus, das du dir den Weg gut überlegt hast und zweifele deine Entscheidung nicht an. Du kommst zu mir, um dich über meinen Weg zu informieren, meist nach einer längeren Odyssee durch den Medizinbetrieb.

Initialgespräch

Wir reden ein wenig, um uns grundsätzlich ein erstes Bild zu machen. Dieses Gespräch, so rund eine halbe Stunde, ist mein Geschenk an dich.

Erstgespräch Vis-a-Vis

Dann verabreden wir uns, optimalerweise bei dir.

  • Ich möchte gerne wissen, was dich zu mir treibt, welches die Momente sind, an denen du sagst „ich halte das in diesem Körper nicht mehr aus.“ Also die Diagnose(n) und Prognose mir erklären lassen, was sie für dich bedeuten. Mich interessiert nicht so doll, was du hast, mich interessiert, was du brauchst.
  • Ich möchte gerne wissen, wie dein Umfeld zu deiner Entscheidung steht. Ich habe keine Lust, mich unvorbereitet gegen bedrohende Ehemänner zu wehren, oder von Kindern plötzlich als Mörder titulieren zu lassen. Ich kann das aushalten, aber ich bereite mich gerne vor.
  • Ich möchte gerne wissen, wie deine Hausärztin oder behandelnde Fachärztinnen zu deiner Entscheidung stehen.
  • Ich möchte gerne wissen, was du dir als Alternative zum FVET überlegt hast, und ob du vielleicht schon Versuche unternommen hattest, um zu sterben.
  • Ich möchte gerne wissen, was wir an Unterstützer:innen und welche Gegener:innen wir haben.
  • Ich schaue mir gerne an, wo wir den Rest deiner Zeit verbringen, falls wir gemeinsam loslegen, also Schlafmöglichkeit für mich, Badezimmer für dich tauglich? oder was können wir noch gut improvisieren.

Den Rest des Lebens betrachten

Ich plane mit dir deinen Verzicht auf Essen und Trinken. Wir überlegen, wann es bei dir und bei mir gut zeitlich passen kann, und dann schauen wir eimal, was du bis dahin machen kannst.

Und dann passiert oft etwas, was für mich zum Bild meines „Berufes“ dazugehört – wir schauen einmal kurz an, wie das Leben, das du gerade lebst, sich noch etwas ändern kann. Wir haben jetzt das Sterben fertig, diese Alternative zu deinem jetzigen Leben ist geplant. Das kann uns niemand mehr wegnehmen. Aber vielleicht fällt uns ja etwas ein, das dein Leben auch im Leben noch etwas lecker machen kann.
Manche Menschen kommen zu mir, lassen sich das FVET von mir erklären, und verschwinden dann erst einmal wieder, um bis zum Punkt X noch weiter im Leben zu sein.
Manche Menschen kommen zu mir, und haben so wenig Kraft, dass sie mich bitten, dass ich die Vorbereitungen treffe.
Manche Menschen kommen zu mir damit ich mit den Hinterbleibenden rede, für Verständnis werbe, und das Dorf aufstelle.

Vorbereitungen

Du solltest mit deiner Ärztin oder deinem Arzt reden, wir benötigen am Ende der Reise wahrscheinlich Medikamente, die nicht frei erhältlich sind.
Schön ist es auch, wenn deine Hausarztpraxis schon Bescheid weiß, dann ist meine Diskussion zur Erklärung der Todesumstände leichter.

Die Mundtrockenheit ist mit intensiver Pflege (keine tollen Tricks, einfach nur feucht sprühen oder auswischen) ziemlich in den Griff zu bekommen. Aber welche Geschmacksrichtung, was möchtest du vorbereitet haben an Erdbeermus, Blaubeereis oder Champangereis. Gegen die Mundtrockenheit habe ich mittlerweile eine wunderbare Möglichkeit, aus fast alle Flüssigkeiten einen Schaum zu machen, den du dann löffeln kannst, ohne wirklich Flüssigkeit aufzunehmen, aber den Mund voll Feuchte zu haben.

Wer besucht dich, begleitet dich, pflegt dich (KEINE Krankenpflege, sondern beim umdrehen helfen, feuchte Stirn abtupfen, Hände wärmen, Füße eincremen, Geschichten erzählen oder Schweigen und Sein)

Wer darf dich noch einmal zu Lebzeiten besuchen, wer soll dich auf keinen Fall mehr sehen.

Möchtest du zu Hause aufgebahrt werde, beim Bestatter oder gar nicht? Was möchtest du anziehen?

Formulare wie Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und so weiter sollten im Vorfeld ausgefüllt und unterschrieben werden und bereit liegen, gerne in mindestens 3 Kopien.